Der Kampf um die Fernbedienung

Opa ist alt und weise. Aus ihm sprechen Dekaden an Lebenserfahrung, man hört auf ihn. Wenn es ums Fernsehen geht, sagt Opa immer: „Passt’s auf Kinder, vom Glotzen kriegt man viereckige Augen!“.

Meist sagt er das beim sonntäglichen Nachmittagskaffee, kurz nachdem er mit seiner „Fernsteuerung“ den glühend heißen „Fernsehapparat“ ausgeschaltet hat. Der Sonntag ist heilig, denn Sonntag ist Sporttag im ORF. Skifahren, Fußball, Biathlon, Tennis, Autorennen – egal was, Sport ist wichtig und von dem kriegt man keine viereckigen Augen, höchstens Tränen der Rührung, weil es beim Skifahren mal wieder 4 Österreicher unter die ersten 3 geschafft haben.

Der Opa ist mit seiner Meinung nicht allein, denn was der Opa sagt, auf das hören auch die Bildungsexperten und warnen vor zu viel Glotze. Fernsehen mache dumm und dick, erklären sie und verweisen auf jahrzehntelange Studien. Empfohlen werden max. 30 Minuten für die Kleineren und eine Stunde für die Größeren. Bei mehr drohe Verblödung, Fettleibigkeit und soziale Isolation.

Die Expertenmeinungen zum Fernsehen sind für die Töchter reine Vorurteile. Und die sind dazu da, um sie zu zerschmettern.

Was der Opa und die Experten nie dazu sagen, ist eine gottgegebene Tatsache: Kinder WOLLEN fernsehen! Und zwar möglichst oft und ganz, ganz viel. Das ist bei unseren Töchtern nicht anders, da können der Opa und die Experten lange was erzählen. Selbst die dicksten Studien sind für die Töchter bloß glatte Vorurteile und die sind, wie ich ihnen letztens erklärt habe, dazu da, um sie mit voller Kraft zu zerschmettern.

Der Drang zum Fernseher macht erfinderisch und kreativ, und um ihr Ziel – nämlich glotzen rund um die Uhr – zu erreichen, wenden sie facettenreiche Strategien an:

Drohungen

Die kleine Tochter L. ist böse auf uns. Wir sind „volle unfair und blöd“, weil wir gestern Abend ohne sie ferngeschaut haben. Wenn wir sie jetzt nicht auf der Stelle fernschauen lassen, „geht sie in den Wald und schläft dort“. Es ist bereits dunkel und dicke Regentropfen prasseln vom Himmel. Sie zieht ihre Schuhe an, lässt die Jacke liegen und verlässt grußlos die Wohnung. Ihr Plan geht nicht auf, drei Minuten später klingelt es, sie will wieder rein.

Cyberangriffe

Sie sind digitale Genies. Egal wie oft wir den PIN-Code am Handy ändern, sie knacken ihn immer! Und verschwinden dann im Kleiderschrank, unterm Bett oder im Garten und ziehen sich YouTube-Videos rein.

Nächtliche Überrumpelung

An Schultagen sind sie nicht aus dem Bett zu kriegen, aber am Wochenende schlüpfen sie frisch und munter um 4 Uhr früh aus den Federn, schleichen wie Einbrecher durch die Wohnung, plündern die Süßigkeitenlade und suchen nach der Fernbedienung, die wir mittlerweile unter unseren Kopfkissen verstecken.

Lug & Betrug

„Bitte Papa, ich räum danach bestimmt mein Zimmer auf!“. „Versprochen Mama, ich mach gleich danach die Hausübung, gaaanz sicher!“. Liebe Eltern, glaubt ihnen kein Wort, es ist alles gelogen!

Das wäre nur ein kleiner Auszug aus ihrer Trickkiste. Ihre Strategien werden täglich ausgeklügelter. Ich bin mir sicher, durch ihren Drang zum Fernsehen und unserer Gegenwehr werden sich ihnen blühende Perspektiven eröffnen. Denn der Kampf um das Fernsehen ist wie ein Boot Camp für die CEOs der Zukunft. Die Kinder, die es schaffen am meisten fern zu schauen, sind psychologisch-taktisch hervorragend geschult, willensstark, hartnäckig und äußerst durchsetzungsfähig. Alles Eigenschaften, die auf eine spätere Führungsposition hindeuten.

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